Die Phantasie des Menschen ist seit Jahrhunderten inspiriert durch technische Entwicklungen. Nicht nur Jules Verne (1828-1905) hat viele technische Neuerungen in seinen Romanen vorweggenommen, auch in neuerer Zeit inspirieren die technischen Möglichkeiten das Genre Science-Fiction, insbesondere die Nanotechnologie. Als der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman1959 seinen berühmten Vortrag (Link zum PDF [icon type=file-pdf]) zur Materie „There is plenty of room at the bottom” (in etwa „Es gibt viel Platz im Kleinsten“) hielt und damit die atomare Welt der Materie meinte, hatte er schon angedeutet, dass damit wohl vieles möglich sein wird. Als Beispiel: die gesamte Encyclopedia Britannica passt heute auf einen Stecknadelkopf, würde sie mit Buchstaben aus einzelnen Atomen geschrieben.
Damit war bereits damals der Phantasie Tür und Tor geöffnet und heute kommt kaum ein Film in den Kinos ohne Nanotechnologie aus. Dies hat bereits vor ca. 50 Jahren begonnen: im Film „Die phantastische Reise“ von 1966 wurde ein gesamtes Ärzteteam auf Mikrogröße geschrumpft und rettete mit Instrumenten in Nanogröße einen berühmten Wissenschaftler, als sie ihm ein Blutgerinnsel im Gehirn entfernten. Heute ist es zum Beispiel bereits möglich, inoperable Tumore im Gehirn mit Nanopartikeln zu behandeln (z.B. mit der Magforce Nanopartikel-Tumor-Therapie). Aber so richtig wurde die Nanotechnologie Bestandteil der Literatur und der Filmindustrie, als die Idee von Nanomaschinen, sogenannten Nanobots, geboren war. Nanobots, auch Nanoroboter oder Naniten geannt sind miniaturisierten Roboter.
Mittlerweile erscheinen viele Filme, die bewegliche Nanobots in ihrer Geschichte verarbeitet haben (z.B. „Seven of Nine im Star Trek-Raumschiff Voyager“, „Die Reise ins Ich“, „I Robot“, „Hulk“, „Iron Man“, „Terminator 3“, „G.I. Joe – Geheimauftrag Cobra“, „Ghost in a Shell“, oder auch „The Avengers – Infinity War“). Nanobots machten im Jahr 2002 im Roman „Beute“ von Michael Crichton sogar Jagd auf Menschen. Dabei vermischte Crichton allerdings zwei wichtige Dinge: den Begriff «Nanobot» und den Begriff des «Assemblers» (Monteur). Während der Nanobot im Prinzip einen miniaturisierten Roboter darstellt, der ganz bestimmte Dinge können soll, kann der Assembler neue Strukturen bauen und wenn er den richtigen Bauplan kennt, auch sich selbst vermehren. Bringt man beide Ideen zusammen, dann entsteht der Gedanke der sog. „Grauen Schmiere“ (engl. Grey Goo), die alles Leben auf der Erde auslöscht, weil sich die kleinen Naniten-Assembler selbst unkontrolliert vermehren.
Wissenschaftlich wurde diese Diskussion im Wesentlichen von dem Visionär Eric Drexler und dem Nobelpreisträger Richard E. Smalley ausgefochten. Beide vertraten gegensätzliche Meinungen, wenn es um die Idee von Nanomaschinen ging. Die Kernfrage dabei bestand darin, dass Erik Drexler sagte, dass es möglich sei, Maschinen in der Größe weniger Nanometer zu konstruieren. Diese könnte man dann so zusammenstellen, dass sie sich wie ein Organismus selbst bewegen und dabei verschiedene Dinge tun können, je nach Ausstattung. Sobald man dann noch einen Mechanismus einfüge, der diese kleinsten Nanobots in die Lage versetzt, sich selbst zu vermehren, also sich selbst zu bauen, dann wären es Assembler. Anders dagegen die Argumente von Richard Smalley, der die Auffassung vertrat, dass diese winzigen Maschinen nicht funktionieren würden, da die sogenannten Van-der-Waals-Kräfte zwischen den Atomen keine Bewegung der Maschinenteile zuliessen.
Diese Diskussion wurde beendet, indem Erik Drexler bekennen musste, dass Richard Smalley wohl Recht hat: Kleinste Maschinen können nur mit enormem Aufwand dazu gebracht werden, sich zu bewegen. Die Anziehungskräfte zwischen der Materie sind so groß, dass sie keine eigenständigen Nanobots und schon gar nicht Assembler in dieser Kleinheit zulassen. Daher wäre die Energiequelle, die benötigt würde, so enorm groß, dass es sich dann nicht mehr um Nanostrukturen handeln würde, sondern um mikro- oder millimetergrosse Strukturen.
Was braucht man technisch, um einen Nanobot zu bauen?
Man braucht eine Hülle, in die alles hineingepackt wird, sowie ein Bewegungsapparat mit Muskeln und Gelenken, also Motoren. Weiterhin wird eine Energiequelle benötigt, um die Maschinen zu betreiben.
Zusätzlich bedarf es Sensoren, um die Umgebung zu erfassen und um Bewegungen zielgenau ausführen zu können. Und letztlich sollen die Nanobots ja auch noch etwas tun, z.B. eine Krebszelle in unserem Körper erkennen und abtöten oder eine Medikament zum Zielorgan transportieren. Auch dazu benötigen wir eine Ausstattung. Alles zusammengenommen werden letztlich so viele Atome und Moleküle der unterschiedlichsten Arten benötigt, dass in einem Nanopartikel nicht genügend Platz dafür wäre. All das lässt sich nur in einem grösseren Maßstab zusammenbauen. Somit wäre die Idee der echten Nanobots wohl doch zu utopisch. Aber könnten wir uns nicht auch mit Teilen der Ausstattung zufriedengeben, um bestimmte Ziele zu erreichen?
Als Beispiel sei hier eine Studie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften aufgeführt. In dieser Arbeit wurde ein Nanoroboter aus DNA gebaut, was DNA-Origami genannt wird. Die DNA ist hier ein reines Baumaterial, das künstlich erzeugt wird und keinerlei biologische Funktion erfüllt. Dabei werden die Einzelbausteine der DNA, die Basen, so konstruiert zusammengesetzt, dass eine neue Struktur entsteht. In dieser Studie geht es um ein Blutgerinnungsmittel, das zur Verstopfung eines Blutgefäßes führt, welches ein Krebsgeschwür mit Nährstoffen versorgt. Das Geschwür stirbt dadurch ab, da es nicht mehr ausreichend versorgt wird [1]. Diese DNA Nanoroboter sind im Prinzip aus drei Elementen aufgebaut: einer beweglichen Hülle (aus DNA-Bausteinen), einer Füllung (der Gerinnungsfaktor) und einem Sensor (einem Protein, das Tumorzellen erkennt). Sie können aber nur genau diese Aufgabe bewältigen, weder können sie sich vermehren noch sich aktiv bewegen.
Es ist denkbar, dass es noch viele weitere Möglichkeiten geben wird, solche kleinsten Einheiten im Körper einzusetzen. Mittlerweile wurde in der Schweiz an der ETH Zürich auch schon ein Studiengang Nanorobotics etabliert.
Es ist also zwar vorstellbar, dass kleine Maschinen entwickelt werden, die prinzipiell auch schädliche Auswirkungen haben könnten. Vermehrungsfähige Nanobots („Grey Goo“) sind aber eine Utopie und werden wohl nie Wirklichkeit.
Literatur
- Li, S. et al. (2018). Nature Biotechnol. 36 (3), 258-264