Review Blind Guardian/The God Machine - Stefan Rosenthal (2024)

14.08.2022 | 13:44

Ein (weiteres) göttliches Album?

Angst ist vielleicht ein zu heftiges Wort, aber ich hatte doch schon kein gutes Gefühl als man nach dem ultrakomplexen Vorgänger und dem Orchester-Ausflug aus dem Krefelder-Umfeld hörte, dass der neueste Streich deutlich mehr "back to the roots" ausfallen sollte. Nach der erfolgreichen "Imaginations From The Other Side"-Anniversary-Tour machte sich immer mehr die Gewissheit breit, dass dieses in der Breite halt doch den meisten Fanzuspruch erntet und eine Rückbesinnung zumindest finanziell durchaus lukrativ sein könnte. Das erste Lebenszeichen der Gottesmaschine kam dann 2020 in der Form einer roughen Version von 'Violent Shadows' und meine Begeisterung war auf dem Tiefpunkt. Wenn ich eins definitiv nicht wollte, dann war das die BLIND GUARDIAN-Version von "Death Magnetic" und "Hardwired…To Self-Destruct" – soll heißen der zwanghafte und halbgare Versuch an eine von Fans präferierte Bandperiode anzuknüpfen.

Doch diese geringe Erwartungshaltung war dann im Rahmen der ersten offizielle Albumsingle 'Deliver Us From Evil' (ebenfalls Albumopener) ein Vorteil, denn was soll ich sagen, dieser Song hat mich regelrecht weggeblasen. Ihr wolltet mal wieder einen Hit aus Krefeld? Hier ist er! Der Reifeprozess von 'This Will Never End' über 'Ride Into Obsession' bis hin zu 'The Holy Grail' ist abgeschlossen. Das Ding ist ein Paradebeispiel wie man deutlich straighter und entschlackter als zuletzt musizieren kann und trotzdem das hohe Niveau im Songwriting beibehält. Und spätestens mit der zweiten Single 'Secrets Of The American Gods' waren alle Befürchtungen für die Katz. Das ist eine glasklare 10-Punkte-Nummer und der inoffizielle Nachfolger von Großtaten wie 'Wheel Of Time' und 'Sacred Worlds' und stellt die letzten Epen 'Ninth Wave' und 'Grande Parade' direkt mal in den Schatten. Angefangen vom traumhaften Violinen-Intro liefert BLIND GUARDIAN hier einen Spannungsbogen der Extraklasse in dem jedes Wort mitsingkompatibel ausbalanciert wurde und im unfassbaren Larger-than-Life-Refrain explodiert.

Jetzt stellte sich eigentlich nur die Frage, ob das restliche Albummaterial dieses hohe Niveau weiterhin halten kann. Mit dem fantastischen Mittelteil 'Life Beyond The Spheres' und 'Architects Of Doom' auf jeden Fall. Diese beiden Tracks klingen, wie moderne, leicht orchestrale BLIND GUARDIAN zu "A Twist In The Myth"-Zeiten - nur in allen Belangen deutlich verbessert. Wer also Songs wie 'Otherland', 'The New Order' und 'The Edge' mochte, bekommt jetzt die beiden großen Brüder auf die Ohren.Es gibt jeweils leicht spacige, moderne Einstiege zu bewundern bevor die Band bei aller Vertracktheit und Polyrhythmik, durch traumhafte Gesangslinien und fantastische Gitarrenarbeit die Nummern durchgängig auf einem leicht zu konsumierenden Niveau hält. Die Grooves sitzen wie eine Eins und Drums und Gitarren klingen ungemein fett auf den Punkt produziert. Somit ebenfalls Daumen hoch für die Produktionsarbeit. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass diese Songs vielleicht am besten den aktuellen Status Quo der Band beschreiben. Und damit kann ich wunderbar leben. Ergänzt wird der positive Reigen noch mit der "Witcher"-Verbeugung und In-Your-Face-Granate 'Blood Of The Elves', welche erneut ein absoluter Hit ist und neben einem unwiderstehlichen Drive über einen Refrain zum Einrahmen verfügt. Neben 'Deliver Us From Evil' mit Sicherheit der offensichtlichste Ohrwurm des Albums.

Da ein BLIND GUARDIAN-Album ohne Ballade nicht komplett ist, gibt es in Form von 'Let It Be No More' auch hier Nachschub. Wer allerdings auf folkige Ausflüge alla 'Bard's Song' oder andere Lagerfeuerspielereien gehofft hat, könnte nun leicht enttäuscht sein. Hier stehen eher Songs wie 'Miracle Machines' und das Judas Priest-Cover 'Beyond The Realms Of Death' Pate. Das ist sehr melancholisch und zurückhaltend instrumentiert und atmet auch ein bisschen DEMONS & WIZARDS-Atmosphäre. Somit klingt der Song sehr erwachsen und ist zusammen mit 'Life Beyond The Spheres' sicherlich der Track, welcher der Idee von moderner Dark Fantasy fernab von Kitsch am nächsten kommt. Man spürt an jeder Ecke diese geheimnisvolle Magie und der Refrain ist eh wieder Champions League.

Zusammen mit 'Damnation‘ hat dieses Lied wohl auch das stärkste Wachstumspotential. Diese komplexe Abrissbirne in der Tradition der neueren BLIND GUARDIAN braucht definitiv ein paar mehr Durchgänge, welche, soviel sei verraten, sich aber absolut lohnen. Mit einer düsteren und leichten Synth-Eröffnung steigt Hansi etwas giftig ein bevor der Rest der Truppe mit brutaler Thrash-Keule den Song vorwärts pusht. Die Chöre sind wieder absolute Referenzklasse und auch wenn der Song im Vergleich zu anderen Tracks etwas sperriger wirkt, so sticht schon beim erstmaligen Hören der erneut fantastische Breitwandchorus heraus.

Bleiben noch zwei Nummern übrig, welche mir leider, soweit greife ich vorweg, die Höchstnote etwas verhageln. Zum einen ist 'Violent Shadows' immer noch keine Speed- und Thrash-Metal-Offenbarung im Vergleich zu den überlebensgroßen anderen Songs, obwohl die neue Studioversion sich nochmal deutlich gesteigert hat. Die Gitarren braten heftig und Frederik ist im Aggro-Modus und übernimmt zeitweise das Kommando. Das klingt schon ungewohnt derbe und hätte auch (anders produziert) in der "Imaginations"-Phase Berechtigung gehabt. Dadurch muss Hansi aber auch wie ein Berserker kämpfen, um die typischen BLIND GUARDIAN-Hooks zu liefern und die Gesangspassagen so strahlen zu lassen, wie es ihnen gebührt. In Summe alles andere als ein Filler und auf Albumdistanz auch verschmerzbar, wäre da nicht noch der Abschlusstrack 'Destiny' welche mich etwas fragend zurücklässt. In Summe wirken diese sechs Minuten Midtempo-Wahnsinn fast wie eine Entschuldigung für das restliche Album. Der Bombast und die Komplexität wird radikal hochgefahren. Zusätzlich konterkariert die Band dieses mit feinen, aber ungewöhnlichen Rockriffs und Synth-Ausflügen die leicht an 'Fly' erinnern. Hier bekommen alle Fans die "Beyond The Red Mirror" abfeiern und mittlerweile Songs, wie 'The Throne' bis auf die letzte Bass-Spur seziert haben, neues Nerd-Futter für ausgiebige Stunden. Das ist für wenige Hördurchgänge nicht greifbar - soll es aber auch gar nicht. Selbst der Refrain ist ungewöhnlich und wirkt nach den vorangegangenen Hits nach einer echten Hausaufgabe.

Grundsätzlich habe ich da Bock drauf, aber zum einen habe ich bis zum Stand der Reviewabgabe den Schlüssel hierfür aber noch(!) nicht gefunden, zum anderen bin ich mir unsicher, ob es so zum Rest des Albums passt.

Hinzu kommt die Tatsache, dass BLIND GUARDIAN erneut auf eine ihrer Kernkompetenzen verzichten und keine keltischen und/oder folkloristischen Instrumentierungen auf dem kompletten Langdreher mit in die Spur schicken. Ist zwar Geschmackssache, aber fehlt mir halt wirklich.

Somit müssen Hansi und Co. jetzt erstmal mit einer 9,5 leben und die Zeit wird zeigen, ob es noch ein wahrlich göttliches Album wird oder nicht. Und selbst wenn nicht, so ist BLIND GUARDIAN trotzdem ein Werk gelungen, welches Fans aus diversen Schaffensperioden begeistern sollte und mit Sicherheit in vielen Jahresendlisten ein gehöriges Wort mitspielen wird.

Note:
9.50
Redakteur:
Stefan Rosenthal
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